Der Innere Ökonom
Evolutionäres Energiemanagement vs. Bullshit-Marketing
Oder warum das Schwein nichts mit dem Hund zu tun hat!
Jawohl, da ist er wieder und hat über den willigen Geist triumphiert. Der kleine Hundling!
Die freie Zeit wird nun doch grunzend und faul auf der Couch verbracht!
Der innere Schweinehund – ein von Mythen und Fabeln umwobenes Tier, welches scheinbar schon die Diszipliniertesten unter uns mit perfiden Tricks in die Knie gezwungen hat. Er versteht es scheinbar spielend, unseren Willen, mit Gedanken, Emotionen und die mit dem Vorhaben eventuell negativ assoziierten Erinnerungen, zu torpedieren.
Liest man sich einschlägige Gesundheitsreports der Krankenkassen durch beziehungsweise nimmt sich aktuelle Evidenz aus der Salutogenese Forschung zur Hand, ist er, wie es scheint, ein starker Gegner, der viele Opfer fordert.
Doch mal ehrlich jetzt gibt es bitte noch einige Menschen, die mit dem Schweinehund einfach wenig bis gar nichts anfangen können und das bitte schön aus Prinzip!
Warum das Schwein nichts mit dem Hund zu tun hat
Die Vorstellung, ein triebgesteuertes Mischwesen aus Schwein und Hund, ist der Herr meiner inneren Komfortzone, ist eine Beleidigung für beide Arten und wird ihnen noch weniger gerecht. Zumal es eine viel einfachere und motivierende Antwort auf rationaler Ebene gibt als ein so ein antriebsloser und negativ behafteter Wolpertinger.
Denn das Schwein gilt als sehr intelligentes und sozial starkes Tier mit einen ausgeprägten Entdeckungsdrang und generell fröhlicher Natur.
Der Hund ebenso. Als Ergebnis der Jahrtausende langen Domestizierung des Wolfes durch den Menschen hat er eine lange Geschichte und Tradition.
Doch was ist denn dann der Motivationskiller, der es einem oft so ultraschwer macht, etwas Neues langfristig in den persönlichen Alltag zu integrieren und mit den anderen Gewohnheiten verschmelzen zu lassen?
Die Macht der Gewohnheiten
Es geht vielmehr um die Evolution unseres Gehirns sowie die bereits angelernten Gewohnheiten. Unser Gehirn sorgt dafür, dass wir unsere Energie effizient einsetzen, um uns nicht unnötig zu verausgaben. Es besitzt quasi einen evolutionären Schutzmechanismus vor Energieverschwendung.
Das bedeutet: Es plant den Energieverbrauch für ein Vorhaben und weigert sich, unnötig viel davon zu verschwenden. Genauso wenig mag es extreme und schnelle Veränderungen in einem Bereich mit kaum Erfahrungswerten.
Zu schnelle und Anpassungen und Spezialisierungen in eine Richtung haben in der Evolutionsgeschichte des Menschen selten zum Erfolg geführt. Daher der völlig normale innere Widerstand zu Beginn.
Energie als Schlüssel zur Veränderung
Unser Körper, vor allem aber unser Gehirn, benötigen Energie, um zu arbeiten. Zucker, genauer gesagt Glukose, ist unser Hauptbrennstoff. Das Gehirn beansprucht laut Ergebnissen der Harvard Medical School 50% der aktuell verfügbaren Zucker-Energie im Körper. (1) Wenn die Glukose knapp wird, können wir auf Ketone aus der Fettverbrennung zurückgreifen.
By the Way : Stress und negative Gedanken kosten dem Körper fast doppelt so viel Energie. Also auch unter Druck, versuche lösungsorientiert zu bleiben und verschwende keine Energie!
Aber was hat das bitteschön jetzt mit unserem inneren Widerstand gegen Veränderung, neuen Gewohnheiten und einem “Ökonom” zu tun.
Die Rolle des inneren Ökonomen
Unser „Innerer Ökonom“ kalkuliert ähnlich wie ein konservativer Controller auf der Basis von Vergangenheitsdaten, wie viel Energie für ein bestimmtes Vorhaben nötig ist. Eigentlich fast zeitgleich vergleicht er das Vorhaben mit vorhanden Erfahrungswerten.
Anschließend gleicht er noch die Vorhersagen mit der Menge an Energie ab, die aktuell im Körper vorhanden ist und checkt das Versorgungslevel. Also wann kommt ? und kommt regelmäßig Nachschub in letzter Zeit ?
Auf Basis der vorhandenen Daten sowie des aktuellen physiologischen und mentalen Grundzustandes trifft er eine Entscheidung. Deshalb sind beispielsweise geregelte Mahlzeiten gerade in diesem Zusammenhang besonders wichtig – Der Ökonom braucht einfach Versorgungssicherheit, um korrekte und bessere Vorhersagen treffen zu können.
Neurologisch exakt ist der innere Ökonom, ein Netzwerk aus mehreren Hirnrealen die miteinander kommunizieren und sich wechselseitig beeinflussen. Zwei wichtige Player sind hier die Inselrinde und der anteriore Mid-Cingular-Cortex (aMCC).
Der aMCC wird beispielsweise aktiv, wenn wir etwas Unangenehmes oder Neues, ohne viel Erfahrungswerte machen. Er erstellt quasi eine innerliche Kosten-Nutzen-Rechnung und beeinflusst so die Entscheidung zum Ja oder Nein. (2)
Die Inselrinde bekommt und integriert alle Informationen aus dem Körper und der Umwelt. Sie misst und bewertet die sogenannte Auslenkungen der Homöostase, quasi die Veränderungen in unserem Körper. Vereinfacht gesagt, sie sagt uns, wie es uns geht und wie wir uns gerade im Moment fühlen.
Neuere Studien im Bezug zu Essverhalten und Verhaltensänderungen allgemein thematisieren genau diese Zusammenhänge auf neuro-psychiatrischer Ebene. (3)
Mit Sicherheit kann man jetzt schon sagen, will man das Thema Resilienz aus neuroanatomischer Sicht erklären, dann sind diese beiden Hirnareale auf jeden Fall mit von der Partie. 😉
Weisen die beiden, aus welchem Grund auch immer Dysfunktionen auf, also funktionieren und kommunizieren nicht gut mit den anderen Netzwerkpartnern, dann haben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mit mehr inneren Widerständen zu kämpfen.
Zur Vereinfachung und ohne zu sehr in neuroanatomische Zusammenhänge respektive Gesetzmäßigkeiten eintauchen zu wollen, nehmen wir den “Inneren Ökonom” zur Veranschaulichung.
Er verlässt sich also nur auf valide Daten und geht auf keine fahrlässigen Prognosen oder Experimente ein, sodass wir bei der Umsetzung von Veränderungen, nicht unnötig Energie verschwenden. Effizienz ist hier das Stichwort.
Denn die Überlebenssicherung ist nach wie vor das primäre Ziel unseres Gehirns. Wir leben nur mit Steinzeit Genen in einer High-Tech Welt, das dürfen wir nie außer Acht lassen. Wenn wir uns zu viel auf einmal zumuten, dann reduziert unser Gehirn zum Schutz unsere Leistungsfähigkeit. Denn Kraft und Ausdauer ist am Ende immer die Entscheidung des Gehirns!
Unsere Ziele sollten also immer realistisch sein und der Weg dahin individuell angepasst werden. (SMART-Ziele)
Riesige Veränderungen sind untrainiert, meist nicht sofort möglich – denn sie brauchen Zeit und sollten Schritt für Schritt angegangen werden. Zwingt man das System dazu, steigen Stress und Entzündungen im Körper an und gesundheitliche Folgen lassen in der Regel nicht lange auf sich warten.
Halten wir uns an neuronale Gesetzmäßigkeiten und Prozesse, dann lernen wir, wie wir uns auch immer schneller und mit deutlich weniger anfänglichen Widerständen anpassen können.
Lernen will gelernt sein und was noch viel wichtiger ist, wir können die einzelnen Areale trainieren und so am Ende die Netzwerke insgesamt leistungsfähiger machen 😉
Neuroplastizität: Das Gehirn wächst mit seinen Aufgaben
Unser Gehirn ist vereinfacht gesagt wie ein Muskel, der trainiert werden kann. Es wächst, wenn wir es regelmäßig herausfordern und ist kein Radiergummi, der bei Benutzung weniger wird!
Lernen, Veränderungen respektive neue Verbindungen im Gehirn, entstehen durch Neuroplastizität – ein Prozess, der viel Energie benötigt.
Zu Beginn ist jede Veränderung anstrengend, aber mit der Zeit wird der Weg immer einfacher. Ähnlich wie bei einem Trampelpfad, der mit der Zeit zur High-Speed-Autobahn wird.
Das bedeutet abschließend ganz einfach, dass es bei neuen Gewohnheiten/Veränderungen zuerst immer etwas Widerstand gibt. Wir müssen nur mit umsichtiger Planung, Etappenzielen und positiven Erfahrungen sinnvoll gegensteuern.
Die Lösung: Regelmäßigkeit und Anpassung
Das Geheimnis liegt in der Regelmäßigkeit. Wer seine Ziele in kleinen Schritten verfolgt und sich mit positiven Erfahrungen belohnt, der überwindet den Widerstand des inneren Ökonomen deutlich schneller und immer leichter.
Ein klarer Plan, ausgewogene Ernährung und ausreichend Regeneration sind die Basis für nachhaltige Veränderungen im Gehirn.
Zudem leben wir in einer völlig normierten, immer stärker digitalisierten Welt. Alle Zimmer, in Denen wir leben, arbeiten und schlafen, sind meist wohl temperiert.
Einerseits werden die sensorischen Sinne kaum bis gar nicht im ursprünglich dafür vorgesehen Umfang genutzt, anderseits werden wir besonders seit Einführung der Smartphones und Tablets digital völlig überladen.
Ich empfehle dir deshalb weniger Bildschirm dafür Bewegung & Natur. Gute Lebensmittel und Schlaf mit Nasenatmung. ( Es gibt hierfür spezielle Lippenpflaster, aber ein einfaches schmales Tape von oben nach unten, über Ober- und Unterlippe, tut es auch )
Rieche und höre in die Welt, schmecke & fühle gutes Essen und Trinken, lache, spiel und laufe viel und was fast am wichtigsten ist :
“get comfortable with the uncomfortable”
Eine tolle Unterstützung bieten hier Veränderungshilfen wie die 21er oder 72h Call to Action-Regel. Denn gerade zu Beginn ist es entscheidend, dem Vorhaben zeitnah und regelmäßig immer wieder eine besondere Wichtigkeit zu geben.
Wichtigkeit ist der größte Motor für schnelle neuronale Anpassungen.
Fazit: Veränderung ist neurozentriert, viel leichter möglich und Opfer bist du auch keines.
Der innere Ökonom kann uns mit der richtigen Strategie unterstützen, Veränderung erfolgreicher umzusetzen.
Unsere Gehirnstruktur ist darauf ausgelegt, sich anzupassen. Eine Veränderung mag anfangs schwer sein, doch mit der richtigen Herangehensweise und Durchhaltevermögen wird sie langfristig zum Erfolg führen und das Leben bereichern.
Du bist weder ein Opfer deiner Komfortzone noch von irgendeinem bösen Fabelwesen. Lass dir das bloß von nichts und niemanden einreden!
Ich hoffe, ich kann dir durch den “Inneren Ökonom” Ansatz, eine deutlich positivere Erklärung für innere Widerstände und Motivation für Veränderungen, mit auf dem Weg geben.
“plan, commit & succeed”
Von Herzen sportliche Grüße
T
(1) https://hms.harvard.edu/news-events/publications-archive/brain/sugar-brain
(3) Verhaltensanpassung: Welche Rolle spielt die Inselrinde?